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Neustart - Wo ich herkam und warum jetzt SPD

Als Kind aus wirtschaftlich schwachen Verhältnissen bin ich schon früh mit sozialen Ungerechtigkeiten und Stigmatisierungen konfrontiert worden. Lehrer*innen, Politik, Medien und auch mein soziales Umfeld vermittelte mir immer wieder, nicht so wertvoll wie andere aus wohlhabenderen Verhältnissen zu sein*. Mein Umfeld dachte oft, sie verstünden meine Probleme, mischten dabei aber nur ihre eigenen Erfahrungen mit denen von der Gesellschaft produzierten Stigmata, die meine Realität nicht wiederspiegelten. Ich konnte mir nicht die Skireise nach Südtirol mit dem Lateinlehrer leisten oder einen mehrmonatigen Aufenthalt im Ausland. Stattdessen war ich damit beschäftig dafür zu kämpfen, auf das örtliche Gymnasium aufgenommen zu werden und Geld zu verdienen um mir die notwendigen Schulmittel oder die nächste Klassenfahrt leisten zu können.

Auch später nach meiner Ausbildung im Studium war es undenkbar ein Auslandssemester, deren Relevanz bei späteren Bewerbungen nicht zu unterschätzen ist, wahr zu nehmen oder mich ausschließlich auf das Studium konzentrieren zu können. Arbeiten war weiterhin angesagt, so viel wie mir eben rechtlich als Studierende erlaubt war. Ich war froh, wenn ich zu Beginn des Semesters die Studienbeiträge und die damals noch erhobenen Studiengebühren zusammen bekommen habe. Doch danach wurde es schon eng. Skripte die häufig für viel Geld gekauft werden mussten und Bücher waren im Laufe des Semesters meist schon nicht mehr drin.

Diese Umstände und die familiäre Verantwortung die ich in dieser Zeit übernommen habe, führten schließlich dazu, dass ich zwei Semester vor Studienabschluß das Handtuch werfen musste. Ich musste anfangen mehr Geld zu verdienen um meine Existenz zu sichern und nicht weiter Schulden anzuhäufen. Miete, Krankenkassenbeiträge und Studiengebühren wurden einfach zu viel und die mir erlaubte Arbeitszeit reichte nicht aus. In diesem Zusammenhang hatte ich auch nur noch ein zynisches Lachen für die übrig, die mir immer wieder gesagt haben, wie wichtig es doch wäre noch einige Praktika zu absolvieren. Unbezahlt natürlich.

In meiner Ausbildung bei der Bertelsmann AG und während meines Studiums bin ich, wie schon zu Schulzeiten, immer wieder mit Sprüchen konfrontiert worden wie "Wer nur hart genug arbeitet, wird auch erfolgreich sein" oder "Jede* ist seines Glückes Schmied" Und ich fragte mich nur: Ernsthaft?! Wie viel sollte ich noch arbeiten um mir die Bildung leisten zu können, die ich brauche um zukünftig in die angestrebten Positionen zu kommen? Warum musste ich mich dann ständig dafür rechtfertigen mir Bücher, Auslandsaufenthalte oder das Bier in der Kneipe mit Kommiliton*innen nicht leisten zu können? Warum werden Menschen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse überhaupt herabgesetzt und in Schubladen gepresst? Was hat das alles mit mir als Mensch, mit meinen Kompetenzen und Fähigkeiten zu tun? Nichts!

Doch dieses kapitalistische und neoliberale Klima schafft seit Jahrzenten ein gesellschaftliches Ungleichgewicht, erzeugt Wut ob der Ungerechtigkeiten und führt meines Erachtens heute dazu, dass Parteien wie die AfD massiv an Zulauf gewinnen. Aus Protest. Gegen das Establishment. Weil viele Menschen nicht mehr das Gefühl haben alles erreichen zu können, wenn sie nur hart genug dafür arbeiten; weil der Kampf mit den eigenen Existenzängsten Tag täglich präsent ist; weil sie nicht mehr das Gefühl haben auch nur irgendwas daran ändern zu können, weil "die da oben" ja eh machen was sie wollen. Im übrigen eine Schnittmenge an Wähler*innenpotenzial die Piraten und AfD gemeinsam haben, bzw. hatten.

Die Ersteren habe ich aus gutem Grund verlassen, die anderen kommen aus noch mehr guten Gründen definitiv nicht in Frage.

Warum nun SPD?

Die SPD war tatsächlich schon vor über 10 Jahren die erste Partei zu der ich Kontakt gesucht habe. Leider damals nur mit mässigem Erfolg. Sitzungen waren sehr oft nicht öffentlich zugänglich und Mails mit Interessensbekundungen zur Mitarbeit wurden schlicht ignoriert. Studium, Familie und Arbeit ließen es damals auch nicht zu, mich intensiver damit zu beschäftigen und hartnäckiger zu sein. Mein politisches Engagement begann somit erst Anfang 2012 mit der Piratenpartei. Dort hatte ich das Gefühl, dass ein neuer Politikansatz möglich wird: Macht aufbrechen in Form von Liquid Democracy, Teilhabe aller ermöglichen, ein positives Menschenbild das die Forderung nach einem BGE begründete und im Rahmen des digitalen Wandels die Aufarbeitung sozialer Ungerechtigkeiten. Ich wurde gleich herzlich aufgenommen und zur Mitarbeit aufgefordert. Verantwortliche Positionen im Kreisvorstand Münster und im Landesvorstand Nordrhein-Westfalen folgten, ebenso meine Bundestagskandidatur 2013.

Wie ich bereits auf diesem Blog veröffentlicht habe, bin ich im Sommer letzten Jahres aus der Piratenpartei ausgetreten. Zu den Gründen habe ich bereits alles gesagt. Doch schon zu dem Zeitpunkt war mir klar, dass das nicht das Ende meiner politischen Arbeit sein wird. Ich mache weiter Politik, weil ich es insbesondere in Zeiten einer erstarkenden reaktionären, frauenverachtenden, rassistischen und antifeministischen Partei wie der AfD für meine Pflicht halte. Ich halte es für meine Pflicht mich, insbesondere mit meinem Hintergrund, weiter für die Schwächsten unserer Gesellschaft einzusetzen. Ungerechtigkeiten abbauen, Chancengerechtigkeit herstellen und Teilhabe auf allen Ebenen ermöglichen und das unter Berücksichtigung des alle Lebensbereiche treffenden digitalen Wandels und der Globalisierung.

Nach diversen Gesprächen im letzten Jahr habe ich mich nun dazu entschlossen Mitglied in der SPD und bei den Jusos zu werden. Nicht um freundlich der Parteispitze zuzunicken, sondern um aus meiner Sicht einen dringend notwendigen frischen Wind rein zu bringen.

Ich bin nicht in die SPD eingetreten, weil ich die Politik der letzten 20 Jahre so supi finde oder weil ich der Meinung bin, dass die SPD derzeit die Partei ist, die mir Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft gibt. Oft habe ich sie kritisiert und halte frühere Entscheidungen wie z.B. die zweitweise Einführung der Studiengebühren oder die Einführung von ALG 2 (Hartz4-Reformen) auch weiterhin für fatal. Ich weiss aber auch, dass es die SPD der 70er war, die es sehr vielen Menschen aus kleinen Verhältnissen erst möglich machte zur Uni zu gehen. Unzählige machten mit Bafög-Unterstützung damals Abitur, der Anteil der Kinder aus Arbeiterfamilien stieg rapide. Und ich sehe und erlebe heute eben auch eine Partei mit Potenzial, deren Grundsätze ich teile. Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität. Und viele junge engagierte Menschen, die einen ähnlichen Drang haben Gesellschaft zu gestalten. Besonders die Jusos haben mich mit ihren inhaltlichen Positsionierungen und ihrer Energie überzeugt, auch in der SPD den Wandel einläuten zu können. Gemeinsam!

Die SPD ist eine Volkspartei und trägt somit eine große Verantwortung für alle gesellschaftlichen Schichten, doch aufgrund ihrer Historie besonders für Minderheiten und Benachteiligte. Statt weiterhin zuzusehen wie Rat- und Ideenlosigkeit und zuweilen auch Überforderung sich breit machen, die reaktionären Kräften nur in die Hände spielen, ist es dringend an der Zeit wieder für eine ehrliche glaubwürdige und progressive sozialdemokratische Politik einzustehen. Es ist der gänzlich falsche Weg weiter in die Mitte zu rücken. Abgrenzung und Mobilisierung sollten für die SPD wichtiger denn je sein. Es braucht ein unumstößliches linkes Gegengewicht mit einer gesellschaftlichen Vision, Werten und Haltung!

Dazu möchte ich nun meinen Teil beitragen und freue mich auf die gemeinsame Zusammenarbeit mit den Genoss*innen für eine progressive, solidarische und gerechte Gesellschaft!

Neustart - Wo ich herkam und warum jetzt SPD
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G
Himmel. Ganz ernsthafft. Das ist NUR Mimimi.... Ich habe gearbeitret, seit ich 14 bin. Zeitungen austragen, saß an der Kasse und bis zu meinem 1. Tag der Ausbildung. Das Studium, dass ich daran anschloss musste ich auch komplett durch Jobbren finanzieren. 6 Jahre lang arbeitete ich 20h/Woche in der Buchhaltung und jobbte am WE auf selsbtständiger Basis als Promoterin. Gelernt habe ich jeden Tag bis 22:00, hab während der Semesterfeien noch mehr Promotion gemacht, um einen Puffer für´s Semester zu haben. Bücher gibt es zumindest als Präsenzexemplar in der Bibliothek, Skripte kochsten 5€. Und ich komme auch aus einem Arbeiterhaushalt. Meine Fresse. Soviel Selbstmitleid auf einem Haufen, macht mich wütend. Natürlich kann man es schaffen, wenn man es will und nicht durch Krankheit oder Unfälle davon abgehalten wird. Bitte schiebe dein Versagen nicht auf die Umstände. Du hast abgebrpchen. Punkt. Dafür kann niemand etwas, außer Dir. Nicht die Gesellschaft, nicht deine Herkunft. Nur Du.
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F
Es ist sehr schade, dass du auf den ersten Blick auch zu den Menschen gehörst die meinen Probleme anderer anhand weniger Informationen sofort zu verstehen, obwohl dann doch nur eigene Erfahrungen mit von der Gesellschaft produzierten Stigmata vermischt werden. Aber ich kenne dich nicht wirklich, sondern nur diesen kleinen Ausschnitt. Deshalb würde ich es mir nicht anmaßen, mir ein Urteil über dich zu erlauben. <br /> <br /> Da meine Eltern bis zu meiner Jugend Wirtsleute waren, habe ich schon deutlich vor meinem 14. Lebensjahr angefangen zu arbeiten. Ich schreibe in diesem Post nichts über meinen Gesundheitszustand und gehe auch nicht näher auf die familiäre Situation ein. Auch weist du nicht was ich für Skripte und dergleichen bezahlt habe und wie viele Bücher ich mir leihen konnte oder definitiv zum ständigen Gebrauch brauchte. Über alle diese relevanten Dinge weist du nichts und das ist auch überhaupt nicht wichtig. <br /> <br /> Im Rahmen eines derartigen Blogpost kann ich natürlich nur einige Stationen anreißen, die zu meiner politischen Haltung geführt haben. Mit Selbstmitleid hat das nichts zu tun. Ich bin stolz darauf, was ich in meinem Leben bereits geschafft und erreicht habe. Ohne diese ganzen Erfahrungen wäre ich nicht der Mensch der ich heute bin. <br /> <br /> Mir tut es letzlich sehr leid, dass es für dich nicht einfacher war als beschrieben und du nicht mehr Raum für deine persönliche Entwicklung bekommen hast. Das was du auch für dich beschreibst, ist ja genau eben das was ich politisch und gesellschaftlich in diesem Text kritisiere. Ich wünsche mir, dass es zukünftig allen jungen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft möglich sein wird, den Bildungsstand zu erreichen den sie erreichen möchten und können. Ohne ständig von Existenzängsten aufgefressen und getrieben zu werden! Dafür mache ich Politik. Deine Wut ist genau das, was diese Ellenbogengesellschaft mit uns machen soll. Von klein auf werden wir auf Leistung getrimmt, um im ständigen Wettbewerb maximal pruduktiv zu sein. Nur um weiter dem Irrglauben eines unendlichen Wirtschaftswachstums mit immer größeren Profiten hinterherzuhecheln. Wir stehen beide auf einer Seite und sollten uns nicht gegenseitig angreifen sondern gemeinsam dafür kämpfen, dass unsere Kinder es mal leichter haben werden als wir ;)